Präventive Zukunftsplanung
Hallo Brieffreunde,
ich werde in Berlin nicht alt. Gute Gründe brachten mich in die Stadt, aktuell gefällt sie mir auch noch gut genug, aber ich brauche eine bessere Zukunftsvision, die mich bei der Stange hält.
Darum denke ich seit einigen Monaten über die großen Säulen meines Lebens nach. Wohnen, Arbeiten, Familienplanung. Witzigerweise gestaltet sich ausgerechnet Letztere überraschend einfach: Ich habe kein wirkliches Interesse an Kindern. Lange dachte ich, dass ich gerne 1-2 Kinder hätte, aber irgendwann stellte sich heraus, dass das eine von diesen Gesellschaftsmeinungen war, die noch nicht genug reflektiert wurden. Wenn ich inkohärente Gespräche mit Leuten führen will, denen Rotze aus der Nase hängt, fahre ich U-Bahn. Wenn ich sicherstellen möchte, dass ich im Alter gepflegt werde, kümmere ich mich um eine durchdachte Altersvorsorge.
Dementsprechend sind einige Tabs zum Thema Vasektomie offen (überraschend kurzer und günstiger Eingriff) und ich werde in den nächsten Monaten dahingehend eine Entscheidung treffen. Hiermit möchte ich allerdings herzlich vom Wikipedia-Eintrag zum Thema abraten, wenn man nicht unbedingt an Bildern von Hoden mit Löchern drin interessiert ist. Passend zum Thema und unterhaltsam meta, hier der Wikipedia-Eintrag zu rotten.com, das uns mit 14 damals morbide Unterhaltung lieferte.
Bleiben also die Fragen des Wohnens und Arbeitens.
Arbeit ist auch nicht so schwer. Noch habe ich Spaß an meiner Art von Arbeit und sehe auch nicht, wie sich das zeitnah ändern wird. Woran ich keinen Spaß habe und schon seit einigen Jahren nicht mehr hatte, sind Büros. Remote arbeiten zu können ist nicht mehr optional für mich. Wenn ich umringt von lauten Leuten sein will, die meine Konzentration stören, schaffe ich mir Kinder an. Oder fahre U-Bahn.
Ohne Kind und festen Arbeitsplatz sollte die Frage nach dem Wohnort eigentlich leicht zu beantworten sein. Die Auswahl ist schließlich endlos. Mit einem Laptop und Internet kann ich überall arbeiten, allerdings habe ich auch nicht vor, digitaler Nomade zu werden. Wenn ich mit langhaarigen Surfer-Dudes Zeit verbringen möchte, fahre ich U-Bahn.
Irgendwann möchte ich irgendwo leben, wo man regelmäßig Möwen hören kann. Möwen machen mich glücklich. Möwen erfordern allerdings eine angemessen große Wasserfläche in nächster Nähe. Ich komme von der Nordsee und ehrlich gesagt möchte ich etwas Platz zwischen mir und meiner Familie lassen. Dublin und Brighton sehen – ungetestet – verlockend aus, aber noch zieht es mich nicht aus dem Land heraus.
Bleibt also die Ostsee. Meine Liste an potenziell schönen Städten am Meer besteht aktuell aus Greifswald, Stralsund, Lübeck, Wismar, St. Peter-Ording, Eckernförde und Rostock. Die werden jetzt nach und nach besucht und auf Lebenswürdigkeit überprüft.
Rostock, mit dem ich vorher nichts anderes verband als die üblichen Vorurteile aus den Baseballschlägerjahren, hat mir schon sehr gut gefallen, als ich es kürzlich für knapp eine Woche besuchte. Rostock ist idyllisch, die Leute waren alle nett und ich habe mir versichern lassen, dass es auch ohne Auto gut bewohnbar sein soll.
Allerdings, was ein weiteres dieser größeren Lebensthemen ist, die ich gerade bearbeite, muss ich Autofahren lernen. Der Staat sagt, dass ich es schon kann und darf, schließlich besitze ich einen Führerschein. Meine letzte längere Fahrt ist zehn Jahre her und ich war damals schon kein begnadeter Autofahrer. Warum kommt niemand und nimmt mir den Führerschein ab? Das halte ich für einen Fehler.
Weil ich nicht suizidal und verantwortungslos genug bin, muss ich dieses Versäumnis der Deutschland GmbH selbst in die Hand nehmen und einen Auffrischungskurs machen oder mich generell langsam wieder an Fahrten herantasten. Wenn das klappte, ermöglicht es mir dann auch das Wohnen in Käffern wie Eckernförde. Da war ich sogar schon mal und es war traumhaft, allerdings dachte ich damals noch, dass ich in großen Städten wohnen müsste. Unter anderem, weil ich eben kein Interesse an Autofahren hatte und dachte, dass es so bleiben würde.
Das hat sich geändert. Zwar macht mir die Vorstellung Angst, aber ich will unbedingt, nicht nur für das Wohnortproblem, jemand sein, der kein Problem mit Autofahren hat. Außerdem sollte ich, wie wir alle gemerkt haben, weniger Zeit in U-Bahnen verbringen.
Stattdessen möchte ich vielleicht in einer Stadt leben, in der die 22.000 Einwohner so glücklich sind, dass unironisch gute Hymnen wie die von Eckernförde entstehen. Oder in Lübeck. Oder in einem Dorf, das sogar noch kleiner als Eckernförde ist, dafür aber nur 20 Minuten von einer relevanten Großstadt entfernt. Wer weiß! Ich noch nicht. Darum verbringe ich aktuell viel Zeit mit dieser präventiven Zukunftsplanung. Damit ich für den nächsten Schritt bereit bin, wenn er getan werden muss.
Von Vasektomien zu Städten, die nach Eichhörnchen benannt wurden. Was für eine Reise. Danke fürs Lesen! Wie sieht's bei euch aus? Gibt es einen Plan für den nächsten Schritt? Ich bin interessiert. Schreibt mir!
xoxo
Marcel