Der emotionale Wert von Side Projects
Liebe Brieffreunde,
diese Woche habe ich – mal wieder – entdeckt, dass Side Projects ein wichtiger Bestandteil meines persönlichen Glücks sind. Seit ich 14 war, mache ich Dinge im Internet. Starte hier eine Webseite, probiere dort ein Tool, baue an dieser Stelle eine Community. Das meiste davon hielt nur ein paar Tage. Einige wenige Projekte einige Monate. Die wenigsten zogen sich über Jahre und nur eines (der Blog, wenn auch gerade in einem seiner vielen Hiatusse... Hiaten... in einer seiner vielen Pausen) zog sich durch die gesamte Zeit.
Was sich in diesen fast 20 Jahren (Uff.) aber nicht verändert hat: Ich bin am glücklichsten, wenn ich ein Projekt habe, das mich richtig begeistert. Es bereit mir immense Freude über etwas nachzudenken und herauszufinden, wie diese Idee das Licht der Welt erblicken kann und dann in tagelanger Detailarbeit daran zu wirken, dass das auch geschieht. Selbst die Zeit, in der ich nicht aktiv am Projekt arbeite, wird dadurch versüßt, dass ich nebenbei über das Projekt nachdenken kann.
Das ist auch einer der Gründe, warum mich Programmieren so fasziniert. Ich kann es noch immer nicht, obwohl der letzte Anlauf zu diesem Ziel noch kein Jahr her ist. Aufgegeben habe ich nicht, die nächste Runde kommt sicher bald und die Einschläge von meinen „Jetzt aber!“ Momenten finden in immer geringeren Abständen statt.
Programmieren lernen fällt mir sehr, sehr schwer, aber so viele meiner kleinen Ideen und Hirngespinste würden umsetzbar werden, wenn ich nur die Fähigkeiten dazu hätte. Dass Programmieren mir so viele Glücksmomente bescheren könnte, ist anspornend und frustrierend zugleich.
Eines Tages.
Bis dahin muss ich lernen, dass ein eingeschlafenes oder auch ganz unverholen abgebrochenes Projekt nicht bedeutet, dass ich eine Niederlage erfahren habe. Es gibt Phasen, in denen ich Monate, manchmal Jahre keine Side Projects habe, weil Selbstzweifel mit paralysiert und mich denken lässt, dass ich, basierend auf historischen Daten, nicht gut genug bin, damit sich Projekte dieser Art lohnen.
Der irrationale Teil von mir lässt mich denken, dass ein Side Project irgendwann Geld abwerfen und mich reich machen sollte. Alles andere ist nicht gut genug.
Das ist natürlich Unsinn. Auch Quatsch ist, dass Side Projects mir, wenn ich sie denn starte, aus dem gleichen Grund oft unnötig Stress bereiten. Ich bin nicht gut darin, entspannt an einer Sache zu arbeiten und sie dann unregelmäßig weiterzuführen, während ich ganz lässig Freude daran empfinde. Stattdessen mache ich mir ständig selbst Vorwürfe, dass ich eigentlich mal wieder dieses oder jenes machen müsste, am Ball bleiben sollte, mich hinter etwas hängen muss, damit sich das alles gelohnt haben wird.
Ganz falsch ist das nicht. Briefe aus der Versenkung ist ein Side Project von mir. Eines in einer Reihe von vielen. Eigentlich ist es völlig egal, ob ich Texte hier oder im Blog veröffentliche, aber ich habe in all den Jahren "gescheiterter" Versuche gelernt, dass man sich selbst austricksen musst, damit überhaupt etwas geschieht. Dass ich mir gerade einen neuen Ort des Veröffentlichen von Texten aufgebaut habe, ist alles andere als klug für etwaige Statistiken, hilft mir aber gleichzeitig wieder mehr Spaß am Schreiben zu haben. Und ich weiß, dass Schreiben und Veröffentlichen für mich Glück erzeugt. Manchmal muss man dafür dann halt den Ort wechseln.
Zu akzeptieren, dass es Sachen im Leben gibt, die Glück erzeugen, aber kein größeres Ziel (Ruhm, Geld, Erfolg) erreichen müssen, ist ein wichtiger Bestandteil dieser Übung. Wenn man das verinnerlicht, wird wortwörtlich der Weg durchs Leben das Ziel und man verfolgt nicht mehr irgendwelche externen Faktoren und Hirngespinste, deren Erreichen niemals garantiert werden können.
Glück aus reproduzierbaren Aktivitäten zu schöpfen, ist skalierbares Glück und damit ein wichtiger Bestandteil eines guten Lebens.
Letzte Woche bin ich aus Versehen in ein Side Project geraten.
Irgendwie kam eines zum anderen und ich habe relativ spontan, aber dann mit wachsender Begeisterung eine Webseite gebaut, auf der ich meine Meinung zu von mir gelesenen Büchern präsentiere: buch.fyi
Wenn man im Schnitt mindestens ein Buch pro Woche liest, zu jedem Meinungen hat und Lesen so sehr liebt, wie ich es tue, kann man daraus auch eine Sache machen, die anderen vielleicht beim Entdecken ihrer Leseleidenschaft oder dem Verfolgen ihres bestehenden Hobbys hilft. Besonders, wenn ich damit mein Hobby "Schreiben" regelmäßiger verfolgen kann.
Noch habe ich nicht alle gelesenen Bücher der letzten 3 Jahre nachgetragen. Der Prozess ist langwierig und etwas stumpf und allein für 2020 waren es 84 Bücher. Die Wichtigsten sind aber schon dort und in meinen Allzeit-Favoriten zu finden. Die anderen folgen nach und nach.
Dementsprechend: Ein Hoch auf Side Projects! Ich werde künftig versuchen, nicht zu vergessen, dass ihre Existenz in meinem Leben meinem Glück beiträgt. Wenn Projekte diese Art meiner Stimmung dermaßen helfen, wäre es klug, immer mindestens eines in der Hinterhand zu haben.
Wie sieht‘s bei euch aus? An was für Side Projects arbeitet ihr? Ich bin ganz Ohr. Nicht wortwörtlich, das wäre eklig.
Nebenbei Grüße
Marcel